Der Anwalt, der Impfgeschädigten schnellere Hilfe verschaffen will

Artikel von Saara von Alten | Tagesspiegel | 15.03.2023

Eine Rechtsverordnung aus dem Beginn der Corona-Pandemie verhindert, dass Impfgeschädigte rasch Schadenersatz bekommen. Eine Wiesbadener Anwaltskanzlei geht nun dagegen an.

Am 26. Dezember 2020 wurde in Deutschland die erste Person gegen Covid-19 geimpft. Seitdem haben 64 Millionen Menschen mindestens ein Vakzin gegen Sars-Cov-2 erhalten. Die allermeisten haben die Impfung gut vertragen.

Doch es gab auch Geimpfte, die schwere Nebenwirkungen erlitten haben, wie Herzmuskelentzündungen, Sinusvenenthrombosen oder das Guillain-Barré-Syndrom, eine seltene Nervenerkrankung. Daten des zuständigen Paul-Ehrlich-Institutes zufolge kommt auf 10.000 Corona-Impfungen maximal ein Fall schwerer Folgeschaden.

Für diese Personen oder auch Menschen, die unter dem sogenannten Post-Vac-Syndrom leiden, ist es in Deutschland kaum möglich, Entschädigungen wie beispielsweise ein Schmerzensgeld zu erstreiten. Denn die Hersteller haben die Übernahme aller Haftungsansprüche durch die Bundesrepublik Deutschland in ihren Verträgen festschreiben lassen. Diese hat wiederum die Hürden für Geschädigte entsprechend hoch angesetzt.

Aus einer Gefährdungshaftung wurde eine Verschuldenshaftung

Deshalb hat die Rechtsanwaltskanzlei Cäsar-Preller aus Wiesbaden nun Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. Mit dem Ziel, eine bestimmte Rechtsverordnung im Arzneimittelgesetz zu kippen. Das Verwaltungsgericht Köln hat den Eingang der Klage bestätigt.

Die betreffende Rechtsverordnung hat aus der Gefährdungshaftung des Arzneimittelgesetzes im Hinblick auf die Corona-Impfstoffe eine Verschuldenshaftung gemacht.

Das bedeutet, dass nicht derjenige, der ein Produkt vertreibt, automatisch bei Schaden haftet, sondern nur in dem Falle, dass dem Unternehmen ein schuldhaftes Handeln nachgewiesen werden kann.

Demnach müsse ein Anspruchsteller, wenn er Schadenersatz aufgrund eines Impfschadens gegen den Hersteller durchsetzen will, „neben allen anderen Nachweisen und Voraussetzungen auch noch das Verschulden des Herstellers darlegen und dies auch beweisen“, sagt Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller.

„Dies ist ein unangemessenes weiteres Hindernis, um erfolgreich Schadensersatzansprüche geltend zu machen“, moniert der Anwalt, der unabhängig von dieser Klage 360 Menschen vertritt, die Entschädigungen aufgrund angenommener Impfschäden erstreiten wollen.

Die betreffende Rechtsverordnung aus dem Arzneimittelgesetz stammt aus dem Frühjahr 2020, als es noch keinen einsatzbereiten Impfstoff gab. Cäsar-Preller kritisiert, dass die Bundesregierung einerseits damit zeigte, dass man schon rechtzeitig von der Möglichkeit schwerer Impfschäden ausging.

„Andererseits hat das Gesundheitsministerium bei der Erstellung der Verordnung nicht an den Bürger gedacht, wie dieser leichter Schadenersatz geltend machen könnte, sondern nur im Blick gehabt, dass die Pharmakonzerne nicht mit Schadenersatzforderungen überhäuft werden könnten“, sagt Cäsar-Preller.

Am Ende führt nach Auffassung des Anwalts diese Rechtsverordnung dazu, dass die Hersteller nicht haften, dass der Staat nicht haftet – und alle entstandenen Nachteile beim Impfgeschädigten verbleiben. „Obwohl man dem Bürger suggeriert hat, dass die Corona-Impfung nur ein Piks und ohne Nebenwirkung sei“, sagt Cäsar-Preller.

Geschädigte sollen leichter Entschädigung erstreiten können

Mit der Klage möchte der Anwalt erreichen, dass Geschädigte über die Pharmafirmen leichter Entschädigungszahlungen erstreiten können. Diese können die Konzerne – Astrazeneca, Biontech, Moderna oder Johnson & Johnson – aber gemäß dem mit der Europäischen Union geschlossenen Vertrag von der Bundesregierung zurückfordern. Die Konzerne müssen kein Geld zahlen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat kürzlich ein Programm angekündigt, um von Long Covid oder von Corona-Impfschäden Betroffene zu unterstützen. Er verhandele dazu mit dem Haushaltsausschuss, sagte Lauterbach. Auf Nachfrage von Tagesspiegel-Background bestätigten mehrere Ausschussmitglieder solche Verhandlungen aber nicht.

Lauterbach schlug außerdem vor, dass die Arzneimittel-Hersteller sich freiwillig an den Kosten dafür beteiligten könnten, denn deren „Gewinne sind ja exorbitant gewesen“, so der Minister. Experten gehen aber eher nicht davon aus, dass die Firmen dem folgen.

Unabhängig davon können Opfer von Impfschäden im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes, Schadenersatzleistungen bei den Versorgungsämtern beantragen. Bisher wurden laut Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ von 6682 Anträgen 285 bewilligt, 2075 wurden abgelehnt, die übrigen 4322 seien bei den Behörden der Bundesländer noch in Bearbeitung.

Rechtsanwalt Cäsar-Preller verweist darauf, dass auch hierfür die Hürden sehr hoch seien und nur sehr geringe Beträge von monatlich zwischen 154 bis maximal 814 Euro im Monat ausbezahlt würden.